Videospiele transportieren nicht selten Gefühle wie Hilflosigkeit, Einsamkeit oder Angst. Gamer fiebern schließlich nur zu gerne mit Charakteren wie Lara Croft, Geralt von Riva oder Kratos mit. Wenige Spiele machen diese Emotionen allerdings zum zentralen Thema. Hier setzt Concrete Genie ein farbenfrohes Zeichen.
Erinnert ihr euch an das rhythmische Spiel Entwined? Der verträumte Titel zur Reise zweier verbundener Seelen erschien 2014 und verzauberte als Erstlingswerk des Entwicklerstudios PixelOpus die Spielerschaft. Das Team, das aus einem Gamedesign-Studiengang hervorging, hat mit Concrete Genie Anfang Oktober das zweite Baby auf die digitale Welt gebracht. Mit einem Preispunkt von aktuell rund 24 Euro will es Gamer verzaubern und auf Themen aufmerksam machen, die für viele an der Tagesordnung stehen. Ob das Zusammenspiel aus echten Gefühlen und virtueller Farbe gelingt, haben wir uns für euch ausgemalt.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Da steht Ash. Mit seinem übergroßen Pinsel macht er sich gerade an einer von Denskas Häuserwänden zu schaffen. Anders als in Großstädten üblich, ist seine Malerei kein Ausdruck des heruntergekommenen Stadtbildes. Schließlich bringen seine Gemälde nicht nur Licht, sondern auch Leben in das kleine Fischereidorf. Denska ist das Opfer von Verschmutzung und wirtschaftlichem Verfall. Es bietet seinen jungen Einwohnern kaum eine Perspektive und die, die sich einen Neustart in einer anderen Stadt leisten können, haben diese Option längst wahrgenommen.
Als wäre diese Situation für den Teenager nicht schon ernüchternd genug, wird sein Malen von Angst beschattet. Die anderen Jugendlichen des Dorfs haben sich zusammengerottet und setzen ihm mit Beleidigungen und Schikane zu. Ash muss sich dieser Situation dank seiner Malerei nicht mehr alleine stellen. Die Concrete Genies, also frei übersetzt die Beton-Dschinns, erhellen die Welt um ihn herum. Schnell begreift Ash seine große Aufgabe. Er muss Denska mit seinen Gemälden erhellen und den giftigen Schleier beseitigen, der sich über den Ort gelegt hat.
Zwischen Kreativität und Zwangsmalerei
Malen könnt ihr in Concrete Genie an beinahe allen Wänden. Es entstehen dabei nicht nur wundervolle Bilder. Ihr bringt Glühbirnen zum Leuchten und befreit Flächen von einer violetten Fäule. Um diese zu zerstören benötigt ihr Superfarbe. Eine Ladung davon erhaltet ihr jedoch nur dann, wenn ihr das malt, was eure Genies gerne sehen möchten. Dabei schwingt ihr den Pinsel jedoch nicht ganz frei Hand. Ihr benötigt die passenden Skizzen, die vor allem aufgrund von Vandalismus durch die Welt fliegen. Diese Vorlagen schränken eure Kreativität ein. Ihr bestimmt bei jeder Zeichnung nichtsdestotrotz selbst das Arrangement der gezeichneten Objekte und deren Größe. So entsteht eine gewisse Vielfalt, welche durch die Erweiterung eurer Skizzensammlung weiter wächst. Später erhalten eure Genies zum Beispiel von euch Spinnennetze zwischen die Hörner oder auch Hüte. Die positive Ausstrahlung eurer Helfer bereichert das Game und lässt unbemalte Teile von Denska noch trister wirken.
Das Sammeln von Skizzen, Zufriedenstellen der Concrete Genies und Beseitigen von Fäule in Verbindung mit dem Erhellen der Spielwelt sind der typische Spielablauf des ersten Spiel-Abschnitts. Im späteren Teil der überschaubaren Spielzeit von circa sechs bis acht Stunden kommen zusätzlich Kämpfe auf euch zu. Eure Aufgaben werden euch zu keiner Zeit des Spiels überfordern. Der verstellbare Schwierigkeitsgrad bestimmt also vor allem, wie sehr ihr euch für die späteren Kämpfe ins Zeug legen müsst.
Die Geschichte des Spiels hätte insgesamt viel mehr Potenzial gehabt. Sie fokussiert sich stark auf offensichtliche Themen, um die Komplexität stark zu reduzieren. Um jedoch richtig mit allen Protagonisten mitfühlen zu können, hätten wir gerne mehr von ihnen erfahren, sie besser kennen und verstehen gelernt. So ist auch die Charakterentwicklung von Haupt- und Nebenpersonen selbst etwas zu beliebig geworden.
Wie mit Atari auf einer Reise
Die Optik von Concrete Genie hat viele Facetten. Die Gemälde sind farbenfroh und werden während des Zeichnens von Soundeffekten stilsicher untermalt. Die nicht gemalte Welt erinnert jedoch stark an Stop-Motion-Meisterwerke wie Atari’s Reise. Das entstehende Gesamtbild ist stimmig. Viele Lichteffekte verdeutlichen die Situation der Welt. Generell gilt: Was dunkel ist, ist schlecht. Was hell ist, ist gesund, geheilt und lebendig. Die eingebauten Story-Fetzen, die zum Beispiel Ereignisse vor eurem Abenteuer zeigen, sind gezeichnet. Ihr Stil unterscheidet sich stark vom eigentlichen Spielverlauf und euren eigenen Zeichnungen. Sie wirkten daher zuweilen wie Fremdkörper. An dieser Stelle hätten wir uns passendere Wege vorstellen können. Gerne auch echte Stop-Motion Sequenzen. So wäre das Gesamtbild nochmal auf ein neues Niveau gehoben worden.
Denska selbst ist minimalistisch und dennoch optisch ansprechend. Der Aufbau des Dorfes schließt ein Verlaufen fast aus. Anders als die Story-Fetzen weiß die aufrufbare Karte der Stadt zu überzeugen. Sie zeigt eine minimalistische Zeichnug von Denska. Hier ist uns nur aufgefallen, dass sie für unseren Geschmack etwas zu überladen ist. Hier wäre auch aufgrund der Einfachheit des Games selbst weniger auch mehr gewesen.
Neben Ashs Geschichte könnt ihr euch auch abseits der Geschichte in Ruhe euren Bildern widmen. Selbst mit PlayStation VR ist dies möglich. Mangel einer eigenen Hardware konnten wir diesen Modus jedoch nicht testen.
Unser Fazit zu Concrete Genie
Ihr wollt lieber mit Patronen als mit Farbe malen? Dann ist unsere Review zu Borderlands 3 vielleicht einen Blick wert. Mit Stadia vor der Brust könnte jedoch auch GeForce Now ein passendes Thema für euch sein.
Ihr habt eure Spiele gerne als Disk zu Hause und Concrete Genie könnte der Titel eurer Wahl sein? Werft gerne einen Blick auf den unten eingebundenen Amazon-Link. Bestellt ihr dort, muss der Versandriese einen Teil seiner Marge an uns abtreten und ihr habt keinen Nachteil dadurch.