Supermassive Games hat mit Until Dawn gezeigt, dass sie den Horror-Film auf Sonys PlayStation erlebbar machen können. Dabei hat der Entwickler den Entscheidungen der Spieler Konsequenzen folgen lassen. Dieses Konzept geht mit der Dark Pictures Anthologie in Serie und bringt Neuerungen mit.
Supermassive Games hat mit Until Dawn, dem VR-Ableger Until Dawn: Rush of Blood und dem PlayLink Titel Hidden Agenda eine starke PlayStation Vergangenheit. Mit der Dark Pictures Anthologie geht das Entwicklerteam nun auf mehreren Ebenen neue Wege. Der Titel Dark Pictures: Man of Medan bleibt nämlich nicht allein. Er erhält Gesellschaft vom Rest der Anthologie, die auf insgesamt acht Games ausgelegt ist. Die Verbindung stellt der mysteriöse Kurator dar, auf den wir später zurückkommen. Unsere Kritik befasst sich natürlich nur mit dem ersten Teil der Reihe, die finanziell mit rund dreißig Euro zu Buche schlägt und auch auf der Xbox One und dem PC spielbar ist. Auch der Tatsache, dass Until Dawn gerne in Gruppen gespielt wurde, trägt der Titel von Bandai Namco Rechnung. Der Mehrspielermodus lässt euch den Controller weiterreichen oder nach Online-Mitspielern suchen. Die Voraussetzungen für ein tolles Horror-Erlebnis sind also gut. Lässt Man of Medan uns jedoch auf beste Art die Haare zu Berge stehen?
Man of Medan – Spinnt euer eigenes Seemannsgarn
Die Entscheidungen, die euch Man of Medan abverlangt, erwarten euch hauptsächlich während der überschaubaren aber intensiven Story des Spiels. Zuvor legt ihr nur fest, ob ihr den Horror allein oder mit Freunden erleben möchtet. Diese findet ihr entweder auf eurer Couch oder in eurem Online-Freundeskreis. Gerade aufgrund der Seltenheit von echten Couch-Koop-Games haben wir uns über die Gelegenheit des gemeinsamen Abenteuers gefreut. Startet ihr gemeinsam vom heimischen Sofa aus, nehmen bis zu fünf Spieler an einen Spieldurchgang teil. Online dürft ihr zu zweit ran. Vorbereitend verteilt ihr lediglich die Charaktere unter euch. Im Optionsmenü lassen sich im Rahmen von Barrierefreiem Spiel sogar die Zeitvorgaben für Quicktime-Events deaktivieren.
Schon zu Beginn des Spiels wird der cineastische Ansatz der Geschichte mehr als deutlich. Ihr seid mittendrin statt nur dabei und lernt eure aufkommenden Probleme schon in ihren Wurzeln kennen. Dabei offenbaren sich euch Geheimnisse, die die Gruppe von Tauchern, die ihr später steuert, erst leidlich aufdecken muss. Im Nachhinein könnt ihr euch selbst ein Bild davon machen, ob es clever ist, auf eigene Faust ein versunkenes Wrack aus dem zweiten Weltkrieg zu erkunden.
Mehr als eine gut dirigierte Folge von Jumpscares
Until Dawn wurde häufig aufgrund der vielen Jumpscares kritisiert. Es musste sich die Aussage gefallen lassen, dass sein Konzept auf billige Schreckmomente ausgelegt war und die Story mehr oder weniger als Mittel zum Zweck diente. Man of Medan wirkt durchdachter. Auch die Reaktionen, die wir nicht selbst beeinflussen, erscheinen nachvollziehbar. Ab und zu bekommen wir nur das Gefühl, dass die Charaktere etwas auf der Leitung stehen. Die Situation, die man sich aus den gesammelten Informationen schnell zusammenreimen kann, erschließt sich den Ingame-Personen nicht so einfach wie uns. Das sorgt für eine kleine Diskrepanz im Erlebnis zwischen Protagonisten und dem Spieler. Schade ist es auch, dass der Spannungsbogen sehr lange aufgebaut wird und für unseren Geschmack am Ende etwas abrupt endet.
Die Welt von Man of Medan ist realistisch, detailliert gestaltet und bedrohlich. Die Atmosphäre ist teilweise so dicht, dass man sie mit der Schere schneiden kann. Insgesamt entsteht so ein Horror-Gefühl, wie wir es längere Zeit nicht mehr erleben durften. Die Geschichte könnte selbst als Film überzeugen und die Protagonisten sind vielleicht etwas einfach aber nicht uninteressant gezeichnet. Besonders haben uns die vielen Mindfuck-Momente gefallen, die es ins Spiel geschafft haben. Es spielt mit Zeit, Wahrnehmung und Wahrheit. Das Ende ist wie das Erwachen aus einen langen Fiebertraum.
Du entscheidest über Leben und Tod
In Man of Medan macht euch der mysteriöse Kurator zu Beginn eines klar: Ihr seid verantwortlich für jeden Toten, der euch im Spiel erwartet. Ihr könnt euch aber auch mit jedem rühmen, der die Geschichte überlebt. Während der Kurator sich nicht maßgeblich in eure Geschichte einmischt, wird er euch aus der Distanz bewerten und euch vielleicht sogar unter die Arme greifen. Abseits seiner Szenen seid ihr jedoch auf euch gestellt. Ihr durchforstet die toll gestaltete Umgebung. Die Steuerung ist dabei manchmal etwas unrund oder schwerfällig, was an den Bewegungen liegt, die im Motion-Capturing-Verfahren erfasst wurden. Technisch sind es auch nachladende Texturen und Ladebalken, die euch ab und an aus dem Geschehen reißen.
Technisch gehört Man of Medan trotz der genannten Kritikpunkte zu dem besten, was wir auf der PlayStation 4 in Sachen Atmosphäre und Realismus sehen durften. Im Gegensatz zu einer offenen Spielwelt konnte das Entwicklerteam sich auf die Wege konzentrieren, die ihr einschlagen müsst. Dies macht sich in der Optik und dem immer zur Situation passenden Soundtrack bemerkbar. Neben typischer Erkundungsarbeit baut das Spiel auf Quicktime-Events und andere einfache aber funktionierende Gameplay-Systeme. So müsst ihr, um unentdeckt zu bleiben zum Beispiel euren Herzschlag mit einem Druck auf den X-Button (wir haben die PlayStation 4 Pro Version getestet) treffen.
Wie gruselig ist Man of Medan denn nun?
Horror-Hardliner brauchen sich nicht darum sorgen, dass Man of Medan sie überfordert. Das Spiel erinnert eher an einen spannenden Horror-Thriller mit toller Atmosphäre, einer guten Idee und einem Horror-Grad, den viele Horror-Enthusiasten vertragen. Der Splatter-Faktor liegt weit unter einem Saw oder auch Until Dawn. Auf überflüssiges Blut oder Innereien wird ganz verzichtet. Ihr bekommt dennoch viele Tote zu Gesicht und vielleicht sogar einige selbstverschuldete Tode.
Der Wiederspielwert ergibt sich aus dem Ergeiz alle zu töten oder auch am Leben zu halten. Auch eine neue Couch-Gruppe lädt zum Wiederholen des Erlebnisses ein. Die Teilnehmer sollen laut USK jedoch nicht jünger als 18 Jahre alt sein.
Unser Fazit zum Auftakt der Dark Pictures Anthologie – Man of Medan
Jeder, der Until Dawn mochte oder spielen wollte und wegen einer fehlenden PlayStation verzichtete, muss bei Man of Medan schon fast zugreifen. Der interactive Horror macht vieles richtig und nichts wirklich falsch. Der Kurator drückt der Anthologie schon im ersten Teil seinen Stempel auf. Die Vielfalt an Horror-Formen lässt zudem die Frage aufkommen, wie es nun weitergeht. Schade, dass es nur sehr wenige AAA-Titel gibt, die sich an interactive Horror-Erlebnisse als Gruppen-Erfahrung herantrauen. Für den nächsten Teil wünschen wir uns eine etwas flexiblere Steuerung, die uns Objekte auch dann anzeigt, wenn wir nicht im richtigen Winkel zu ihnen stehen und eine Optimierung der Texturen. Unterm Strich ist der Multiplayer-Ansatz und das Versprechen der Anthologie genau das, was uns als Spieler gefehlt hat. Daher können wir Man of Medan uneingeschränkt empfehlen.
Unsere Review zu Man of Medan ist vor und nach der Gamescom entstanden. Sobald ihr ihn lest, erwarten euch bei uns also einige interessante Artikel zum Gaming-Megaevent. Als Kontrastprogramm zum Horror-Spiel legen wir euch jedoch das herzliche Dragon Quest Builders 2 ans Herz, dass uns positiv überrascht hat. Härter geht es bei Wolfenstein Youngblood zur Sache, das wir ebenfalls testeten.
Ihr habt nun selbst Lust auf Man of Medan bekommen? Werft gerne einen Blick auf unseren Amazon-Link. Schlagt ihr dort zu, unterstützt ihr uns direkt, ohne selbst einen Nachteil zu haben.