Man kann nicht sagen, dass es die Köpfe hinter Kingdom Come: Deliverance leicht gehabt hätten. Als ungeliebtes Kind der Videospiel-Industrie konnte der Titel zunächst weder einen großen Entwickler noch einen Publisher für sich begeistern. Es fehlte folglich vor allem am benötigten Kleingeld, um das ambitionierte Projekt umzusetzen. Gut, dass es die Crowdfunding-Plattform Kickstarter gibt. So konnte die Mammutaufgabe letztendlich finanziell bewältigt werden. Mit dem großen Interesse der Spielerschaft hat man schließlich auch Deep Silver als Publisher für sich gewinnen können. Aus diesen Gründen ist Kingdom Come: Deliverance am 13. Februar in den heimischen Regalen aufgetaucht. Dort buhlt man nun fleißig um die Gunst der Spieler.
Fernab von Fantasy-Gestalten wie Drachen, Riesen, Zauberern oder anderen aus Sagen und Mythen entsprungenen Kreaturen widmet sich der Titel der Warhorse Studios wahren Geschehnissen. Die digitale Zeitreise versetzt euch ins Böhmen des 15. Jahrhunderts. Wie sich euer Aufenthalt dort gestaltet und welche Stolpersteine oder Erfolge euch dort erwarten, haben wir für euch herausgefunden. Dafür suchten wir selbst unseren Platz in der mittelalterlichen Welt.
Heinrich, der Wagen bricht …
Der Story-Ansatz von Kingdom Come: Deliverance liest sich gut. Ihr seid nicht etwa der Inquisitor, der Dovahkiin oder eine andere Art von Weltenretter. Ihr startet stattdessen als Sohn eines einfachen Schmieds und genießt keinerlei Privilegien. Ganz im Gegenteil! Wie wir in der Gamescom-Demo bereits herausgefunden haben, beginnt ihr sogar mit ganz einfachen Handlanger-Aufgaben, die euch mit dem Spielprinzip vertraut machen. Dies ist aufgrund der vielen komplexen und teilweise neuen Mechaniken auch gut so.
Im Intro erfahren wir, dass mit Karl IV Ende 1378 ein guter und geliebter Herrscher gestorben ist. Bei seinen vier Tage dauernden Begräbnisfeierlichkeiten verabschieden sich 7.000 Menschen von ihrem Staatschef. Die Fußstapfen, die er hinterlässt, scheinen für seinen Nachfolger Wenzel, der sich lieber eigenen Gelüsten widmete, zu groß zu sein. Er bringt durch das Nichterscheinen bei seiner Krönung die Kirche gegen sich auf und auch unter dem böhmischen Adel schafft er sich keine Freunde. Dies rächt sich. Sie wenden sich an seinen Halbbruder Sigismund, der jeden Zweifel an seiner Herrschaft im Keim ersticken will. So ändert sich auch eure Welt gravierend und viel zu schnell. Denn euer Heimatort Skalitz wird von Sigismunds blutrünstigen Mördern bis auf die Grundfesten niedergebrannt. Dabei kommen auch euer Vater und eure Mutter zu Tode.
Eure Entscheidungen stellen euch vor immer neue Aufgaben und ihr habt nicht vor, das Geschehene auf euch beruhen zu lassen. Ihr sorgt also dafür, dass ihr mit der Zeit nicht mehr der Sohn eines Schmiedes seid. Ihr seid Heinrich, der seine Zukunft in die eigenen Hände nimmt und weder Leid noch Kampf scheut.
Ja so warn’s die oidn Rittersleut
Das Story-Konzept geht von Anfang bis Ende auf. Dadurch, dass ihr als „einfach nur Heinrich“ startet, rücken realistische und nachvollziehbare Aufgaben ohne riesige Handlungssprünge in den Mittelpunkt. Ihr habt so eine viel immersivere Spielwelt, die euch dazu einlädt, in ihr zu versinken. Kleinere Erfolge haben so einen höheren Wert als eine größere Eroberung in manch anderem Rollenspiel. Gleichzeitig werdet ihr mit ganz gewöhnlichen, moralischen Fragen konfrontiert. Plündert ihr beispielsweise Leichen, um selbst länger zu überleben? Trainiert ihr lieber Redekunst oder den Umgang mit dem Schwert? Eure Entscheidungen wirken gewichtig und das Spielgeschehen prägt Heinrichs Werdegang.
Neben der spielbaren Story zählt in Kingdom Come: Deliverance auch das, was ihr in Form von Zwischensequenzen zu sehen bekommt. Diese sind akustisch toll untermalt und so gut in Szene gesetzt, dass wir das Gefühl bekommen, mitten in Ritterfilmen wie King Arthur oder Der erste Ritter zu versinken. Während Dialoge inhaltlich sehr schön geschrieben sind, ist die deutsche Vertonung allerdings nicht lippensynchron und das Gesagte passt nicht immer zum Geschriebenen. Das gibt wieder einen kleinen Abzug in Sachen Immersion.
Die harte Schule von Kingdom Come: Deliverance
Die Navigation durch das mittelalterliche Böhmen erfolgt aus der Ego-Perspektive. Während ihr euch meistens ganz geschickt durch die Welt bewegt, wirken die Bewegungsanimationen nicht immer flüssig. So wirkt ein Sprung über einen Zaun ab und zu wie ein zu groß geratener Hüpfer. Besonders geschmeidig hingegen sind die Bewegungen im Kampf. Während eurer Auseinandersetzungen, von denen es auch im Rahmen von Nebenquests einige gibt, gilt es nicht nur darum die richtige Waffe zu wählen und wild drauf los zu kloppen. Stattdessen ist es wichtig, dass ihr aus der richtigen Richtung zuschlagt, pariert oder kombiniert. Das funktioniert nach etwas Übung ganz gut. Allerdings sind vor allem spätere Gegner für unseren Geschmack zu schwer zu besiegen und im Stress des Geschehens artet die das Kampfsystem allzu schnell in wildem Waffengefuchtel aus. Wir sind also so vielen Kämpfen wie möglich aus dem Weg gegangen. Ein weiterer Grund dafür ist das Speichersystem, auf das wir später näher eingehen.
Noch schwieriger wird die Bedienung eures Schwertes vom Rücken eures Pferdes. Da werden die Warhorse Studios ihrem Namen nicht ganz gerecht. Dafür könnt ihr auch eure Reittiere über die Zeit verbessern und sie so beispielsweise zu Rennpferden oder Streitrössern machen. Das Reiten selbst dürfte sich vor allem für Witcher 3-Kenner sehr bekannt vorkommen. Es gibt nämlich eine Ausdauerleiste, das Pferd folgt der Straße und verschiedene Geschwindigkeiten sind ebenfalls mit an Bord.
Auch ihr selbst verfügt über eine komplexe Charakterentwicklung, die nach dem Prinzip „Learning by Doing“ funktioniert. Wenn ihr also gewisse Dinge sehr ungern erledigt, weil sie euch zu schwer erscheinen, ist dies ein Grund gerade solche Aktionen zu forcieren. Nur so erreicht ihr schnell die wichtigen Fortschritte, die euch spätestens in fortgeschritteneren Spielphasen zu Gute kommen. Neben offensichtlichen Verbesserungen wie zum Beispiel der geschickte Umgang mit dem Bogen werdet ihr auch mit höherem Alkoholkonsum immer trinkfester.
Die Sims – Mittelalter
Während ihr ganz genretypisch auf Schnellreiseorte zugreifen könnt und nach und nach verschiedene Gebiete entdeckt, gibt es bei Kingdom Come: Deliverance einige Gameplay-Aspekte, die dem hohen Grad an Realismus geschuldet sind. So müsst ihr darauf achten, dass ihr nicht zu wenig und nicht zu viel esst, ihr müsst regelmäßig schlafen und euch bei Wunden ausreichend erholen. Was zunächst wie eine Nebensächlichkeit klingt, ist im Spiel selbst nichts dergleichen. Die Bedürfnisse wollen um jeden Preis gestillt werden. Auch eure Sauberkeit gehört dazu. Die Zeit, die ihr also in Fantasy-Rollenspiele dafür aufwendet, um die beste Rüstung zu erhalten, nutzt ihr im Mittelalter-Rollenspiel für euren Selbsterhaltungstrieb.
Euer Inventar ist übersichtlich und erlaubt euch nur eine gewisse Anzahl an Gegenständen mitzuführen, ehe euch das Gewicht zu hoch wird und ihr kaum noch von der Stelle kommt. Dies kennen wir bereits von Skyrim. Letzterer Titel hat auch euer Radar nachhaltig beeinflusst. Kingdom Come: Deliverance setzt nämlich ebenfalls wie Skyrim und zuletzt auch Assassin’s Creed Origins auf die Radar-Leiste am Oberen Bildrand. Durch eure aufrufbare Karte habt ihr außerdem immer den nötigen Überblick über die Spielwelt und eure Aufgaben. Wird euch das erwähnte Gewicht eures Gepäcks zu hoch, esst ihr einfach etwas von eurem Gepäck oder beginnt bei Kauf oder Verkauf ordentlich zu verhandeln, was vom Team wirklich gut gelöst wurde. Jeder Groschen ist schließlich wertvoll.
Das Mittelalter sah selten besser aus
Optisch macht Kingdom Come: Deliverance vieles richtig. Die gesamte Umgebung weckt das Bedürfnis einfach einmal durch die Gegend zu streunen. Diesem Bedürfnis dürft ihr dank der gegebenen Freiheit auch zu jedem Zeitpunkt des Spiels frönen. Egal ob es gerade in Strömen regnet, ob die Sonne gerade auf- oder untergeht die allgemeine Optik ist toll. Wir müssen dabei sagen, dass wir auf der PlayStation 4 Pro gespielt haben. Die Weitsicht war für uns ebenso gelungen wie die Texturen, die zwar etwas knackiger hätten aussehen können aber für ein Spiel dieser Größe nicht negativ aufgefallen sind. Ab und an konnten wir Texturen entdecken, die erst nach und nach geladen haben. Auch das ist aber im verschmerzbaren Rahmen geblieben.
Die NPCs gehen zwar ihrem Tagesablauf nach, machen dabei jedoch keine Unterschiede bei Regengüssen und Unwetter. Das heißt, dass sie auch im strömenden Regen vor der Tür ein Bier trinken, wenn sie es gewohnt sind. Während die Charaktere samt ihrer mittelalterlichen Ausrüstung sehr stimmig wirken, haben uns außerdem ihre recht steifen Gesichtsanimationen gestört, auch wenn wir das Gefühl hatten, dass diese bei Heinrich noch immer besser gelungen sind als beim Rest der Spielwelt.
Der Mittelalterliche Speichervorgang und enorme Updates
Das einzige Feature, das selbst aus dem 15. Jahrhundert kommen könnte, ist der Speichervorgang. Ihr speichert nämlich nur nach dem Schlafen in eigenen Betten, beim Beginn einer neuen Quest und beim Konsum eines teuren Retterschnaps. Dies fördert weder den Spielspaß noch wirkt es besonders konsequent. Ein modernes Spiel darf schon die manuelle Speicherung an diversen Punkten ermöglichen. Besonders ärgerlich ist das bei Spielern, die mit Bugs zu kämpfen hatten. Diese mussten so unverschuldet längere Phasen wiederholen. Während sich Bugs in unserem Spieldurchgang in engen Grenzen gehalten haben, mussten wir jedoch mit riesigen Patches leben. Ein Day-One-Patch, der stolze 23 Gigabyte umfasst deutet auf ein stark fehlerhaftes bis unvollständiges Spiel hin. Dadurch, dass auch der darauf folgende Patch 1.03 mit 16 GB ebenfalls einen enormen Umfang hatte, wird dieser Eindruck noch verstärkt. Da fällt es auch schwer von schnellem Support zu sprechen.
Wenn wir im Bereich der weniger gelungenen Spielmechaniken bleiben, kommen wir nicht umhin das Knacken von Schlössern und den Taschendiebstahl zu erwähnen. Vor allem ersteres ist solch eine Fummelei, dass wir es uns gleich mehrfach überlegen, ob wir überhaupt das Risiko nach dem Gebrauch von etlichen Dietrichen noch immer zu versagen, eingehen. Da hätten wir gerne die Möglichkeit zu testen, ob es realistisch schwer ist eins Schloss zu öffnen, oder ob es in der Realität gar einfacher ist.
Auch die Ladezeiten dürfen nicht unerwähnt bleiben. Diese sind nämlich vor allem zu Beginn einer Spiel-Session immens. Natürlich sind sie auf der PS4 Pro etwas kürzer als auf der Ursprungs-PS4 und dennoch sind sie auch dort noch extrem lange. Störend empfinden wir dabei, dass uns während des Ladens immer wieder die gleiche Geschichte erzählt wird.
Lauscht den Klängen des Mittelalters
Die Klänge von Kingdom Come: Deliverance sind eine Wucht. Wer auch nur Ansatzweise etwas mit mittelalterlichen Liedern anfangen kann, wird sich direkt wie zu Hause fühlen. Ganz egal, ob ihr gerade durch einen Wald schreitet oder inmitten eines Trainingskampfes steckt, der Orchestrale Soundtrack trägt zu eurer gelungenen Zeitreise bei. Hier steht man selbst bereits genannten Ritterfilmen in nichts nach und bleibt der Marschrute Mittelalter treu.
Unser Fazit zu Kingdom Come: Deliverance
Solltet ihr nun Lust darauf haben, selbst euer Glück im 15. Jahrhundert zu probieren, dann haben wir unten einen passenden Link für euch. Solltet ihr über diesen Link bei Amazon bestellen, unterstützt ihr uns direkt. Nachteile entstehen euch dabei nicht. Habt Dank werte Leser.
Werft gerne auch einen Blick auf unsere Reviews zu Monster Hunter: World, Shadow of the Colossus und die Resident Evil 7 Biohazard Gold Edition.