God of War – Nur ein Reboot oder ein ganz neues Erlebnis?
Zwischen God of War III und dem PS4-Reboot ist scheinbar einiges passiert. Kratos hat mit Atreus einen Sohn, dem er nicht von der Seite weicht. Seine Frau ist verstorben und irgendwie finden wir uns inmitten der nordischen Mythologie wieder. Schnell wird klar, dass Kratos nicht mehr der gleiche Charakter ist, den wir zurückließen. Wie viel von dem alten, mürrischen und harten Kriegsgott noch in ihm steckt, das können wir nur erahnen. Die Ungewissheit zu Beginn des Spiels ist groß. Storyverlauf und Spielprinzip sind ein Buch mit sieben Siegeln. Wir versprechen jedoch nicht zu viel, wenn wir sagen, dass die Ungewissheit in unseren Köpfen bald dem besten Kratos weicht, den wir bislang begleiten durften.
Neue Welten, neue Götter
Die Situation in der wir Kratos vorfinden ist uns fremd. Zwar hat er wieder einmal eine Person verloren, die er liebt. Die üblichen Rachegelüste scheinen jedoch nicht vorhanden zu sein. Stattdessen konzentriert er sich ganz darauf, den letzten Willen seiner verstorbenen Frau zu erfüllen. Sie wünschte sich, dass Kratos ihre Asche auf dem höchsten Berg verstreut. Wir als alte Griechen-Kenner würden uns abermals auf den Weg zum Olymp begeben. Weit gefehlt! Wir befinden uns in der nordischen Mythologie. Drei Dinge haben uns überhaupt erst etwas über die Welt rund um Asen und Bifröst gelehrt: Marvels Thor, ein Ausflug von Lara Croft und eine rudimentäre Allgemeinbildung. Somit lernten auch wir einiges dazu.
Wie erwähnt, ist Kratos auf seiner Reise nicht allein. Sein Sohn Atreus ist stets bei ihm und dabei mehr eifriger Schüler als gleichberechtigter Begleiter. Seine Mutter lehrte den Jungen viel über die Welt, in der sich die zwei bewegen. Sein Wissensvorsprung gegenüber Kratos ist gewaltig. Es gibt jedoch auch genug Dinge, die er nicht weiß. Er hat weder eine Ahnung von der blutigen Vergangenheit seines Vaters noch weiß er, dass göttliches Blut in seinen Adern fließt. Schnell wird uns klar, dass die Aufgabe der beiden, so leicht wie sie auch zunächst klingt, echtes Teamwork, Intelligenz und übermenschliche Kraft erfordert.
Darsteller, wie man sie sich nicht besser wünschen kann
Die Story ist ohne Zweifel eine Stärke des Spiels. Dies hat gleich mehrere Gründe. Zunächst wären da die Charaktere. Nicht nur, dass der ohnehin schon beliebte Kratos ohne zu viel zu verraten, viele tolle Facetten hinzu gewinnt. Nach der ersten Phase des Spiels beginnt auch Atreus Entwicklung. Von diesem Zeitpunkt an wird das Zusammenspiel der beiden Hauptprotagonisten im Kampf und auch abseits des Schlachtfeldes immer besser und auch die Gesprächsthemen gehen weiter in die Tiefe. Auf diese Art und Weise bekommen wir zusätzlich, bislang unbekannte Aspekte der gemeinsamen Vergangenheit geliefert. Zu erwähnen sind aber auch Nebencharaktere und Bossgegner, die toll in Szene gesetzt werden und das gesamte Spiel um verschiedene Aspekte, sei es Humor oder Tragik, bereichern.
Sie führt uns außerdem durch unerwartete Situationen und durch Nebenquests, die selbst Charakter besitzen und mit Aufgaben von der Stange nichts gemeinsam haben. An dieser Stelle bietet uns God of War das beste, was man in dem Bereich nur erwarten kann. Die eigene Neugierde wird somit mit neuen Erlebnissen und wertvollen Kunststücken belohnt.
Die Leviathanaxt dein treuer Begleiter
Im neuen God of War blickt ihr Kratos wie gewohnt aus der 3rd-Person-Perspektive über die massiven Schultern. Gesundheit und Rage werden euch anhand von Leisten angezeigt. Ihr könnt die Anzeigen jedoch im Immersive-Mode auf die wichtigsten begrenzen oder alles Stück für Stück so einstellen, wie ihr es euch wünscht. Die Steuerung von Atreus lässt sich am ehesten mit Ellie von The Last of Us vergleichen. Er unterstützt euch, ihr gebt ihm Anweisungen und selten greift ihr selbst auch mal zu seinem Bogen. Ihr steuert jedoch hauptsächlich Kratos und verlasst euch auf die Unterstützung eures Sohnes bei Kämpfen, Rätseln und dem generellen Vorankommen.
Ein weiterer Begleiter ist eure Leviathanaxt. Diese schwingt ihr nach belieben oder werft sie in Richtung eurer Gegner. Sie wirkt regelrecht massiv und mächtig. Vor allem im späteren Spielverlauf, wenn sie stärkere Attacken entfesselt, fragt ihr euch, wie Kratos jemals ohne sie klar kommen konnte. Ihr entwickelt eine ähnlich enge Bindung zur Axt, wie sie Thor zu seinem Hammer hat und auch sie kommt nach einem Wurf auf Knopfdruck zu euch zurück. Zusätzlich ist sie ein wichtiges Element in Rätseln. So wirkt sie nicht nur wie die perfekte Ausrüstung. Sie ist es auch. Besonders Detailverliebt ist zudem die Tatsache, dass Kratos Halterung für die Leviathanaxt nichts Anderes ist als ein eisernes Omega.
Ist das noch Action-Adventure oder schon RPG?
Bei der Genre-Einordnung macht es uns God of War alles andere als leicht. Die Charaktere sind tief, die Story umfassend, es gibt viel zu erkunden und wir finden an allen Stellen etwas zu sammeln, zu verbessern und zu erweitern. So haben nicht nur Kratos Axt und Atreus Bogen ihren eigenen Skill-Tree. Auch der im neuen Kampfsystem so wichtige Schild bietet Verbesserungen. Kratos extrem starke Spezial-Attacke, der Rage-Modus, bietet zusätzlichen Raum zur Entfaltung. Unter dem Strich gibt es so einen Waffen- und einen Charakterlevel, die sich beide unabhängig voneinander entwickeln.
Eure Verstärkung kostet euch meist Ingame-Währung und besondere Fundstücke. Skills schaltet ihr mit Hilfe von Erfahrungspunkten frei. Wie ihr eure Beute auf Kratos und Atreus aufteilt, das bleibt euch überlassen. God of War geht somit weiter in Richtung Rollenspiel, als es die Vorgänger jemals gewagt haben. Es passt jedoch gut in das neue Gesamtbild. Es wirkt wie eine deutliche Aufwertung. Außerdem machen die neuen Fähigkeiten meist verdammt viel Laune.
Mit Axt, Bogen, Grips und Muskeln
Wildes Button-Smashing führt in God of War nicht zum Erfolg. Ihr müsst eure Gegner samt ihrer Schwächen analysieren und diese eiskalt ausnutzen. Dafür sorgt das neue, für unseren Geschmack anspruchsvollere Kampf-System. Die Leviathanaxt kann im Nah- und Fernkampf genutzt werden. Gleichzeitig kann Kratos auch ohne sie gehörig austeilen. Im besten Fall friert ihr so den Gegner mit einer geworfenen Axt ein und bearbeitet ihn dann gehörig. Entweder so lange, bis er erledigt ist, oder so erschöpft ist, dass ihr ihm mit einem Finisher den Rest geben könnt. Es gilt ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie ihr welchem Gegner am besten beikommt. Wird es gesundheitlich knapp, seid ihr auf grüne Kristalle oder im schlimmsten Fall auf einen Wiederbelebungsstein angewiesen. Dieser holt euch nämlich einmal zurück ins Leben.
Abseits der gelungenen Kämpfe gibt es immer wieder Rätsel. Diese bieten euch Zugang zu weiteren Truhen oder wichtigem Missions-Fortschritt. Manchmal müsst ihr einen Eingang zu verborgenen Gebieten schaffen oder Glocken fast gleichzeitig erklingen lassen. Diese Erfahrungen lockern das Erlebnis gekonnt auf und bieten Atreus und Kratos Raum für Unterhaltungen.
God of War – Nie wieder Olymp
Vorbei die Zeit in der Kratos die Kräfte des Olymps rauf und runter getötet hat. Optisch fehlen uns die Säulen des antiken Griechenlandes nicht. Stattdessen bekommen wir gleich mehrere Welten der nordischen Mythologie serviert und das tut gut. Egal ob es um riesige Götter-Statuen, den Weltenbaum oder die Weltenschlange geht, wir waren direkt mitgerissen von der einzigartigen, neuen Atmosphäre. Diese unterscheidet sich so stark von Kratos vorherigen Ausflügen, dass die Bezeichnung Soft-Reboot kaum zutrifft. Vor allem, da Kratos selbst vieles ist, aber nicht soft. So bietet uns God of War bisher nicht dagewesene Bilder, wie zum Beispiel ein Hexenhaus unterhalb einer riesigen Schildkröte oder die gefrorene Leiche eines Riesen.
Die Präsentation von God of War ist überragend. Eine gute Weitsicht, tolle Wettereffekte, mindestens so gute Partikel-Effekte, HDR-Unterstützung und abwechlsungsreiche Welten entführen auf ein ganz neues grafisches Niveau. Das Spiel aus transparenten Bestandteilen wie Eis oder Kristall und undurchsichtigen Materialien wie Metall oder Stein schaffen ein tolles Bild. Im Kampf wird zusätzlich ein Effektfeuerwerk abgefackelt. Gleichzeitig sind Details wie optisch veränderte Rüstungen mit bunten Runen das beste Beispiel für die Detailverliebtheit der Entwickler.
Die riesige Welt hat jedoch auch zu Problemen geführt. Fehlende Informationen über den Schwierigkeitsgrad einzelner Quests sorgten bei uns für überflüssige Wege. Es war einfach ärgerlich, sich auf eine Quest zu begeben und beim letzten Gegner festzustellen, dass wir besser noch gewartet hätten. Gleichzeitig besuchten wir immer öfter die gleichen Gegenden. Zwar konnten wir dann neue Truhen oder Türen öffnen, dennoch hatten wir einen Wiederholungs-Effekt.
Der Soundtrack, so anders und doch so vertraut
God of War spielt sich also super und es schaut auch noch gut aus. Da bleibt uns nur noch der Vertonung auf den Zahn zu fühlen. Der Soundtrack setzt abermals auf tiefe, rhytmische Männerstimmen in Verbindungen mit höheren Akzenten. So gibt es ein neues, akustisches Bild, das sich sehr gut in der Historie der Reihe einfügt.
Noch imposanter als der Soundtrack an sich ist jedoch die Vertonung von riesigen Stein-Kolossen, der Weltenschlange und nicht zuletzt die hochwertige Synchronisation der Charaktere, die auch in ihrer deutschen Version durch die Bank durch Glaubwürdigkeit überzeugen. Manche Szenen sind so ruhig, dass man Kratos Lederrüstung knarzen hört und manche sind so brachial, dass regelrecht Welten über dem Spieler zusammenstürzen.
Unser Fazit zu God of War
Wie sich herausstellte, sollten alle Kritiker des neuen Gameplays schnell verstummen. Ähnlich wie viele Magazine, die schon zuvor zum Controller greifen durften, kamen wir nicht daran vorbei auch selbst begeistert unseren Hut vor der Leistung zu ziehen, die Sonys Santa Monica Studio mit God of War vollbracht hat. Alles beginnt mit tiefen, unterhaltsamen Charakteren, setzt sich in motivierenden und abwechslungsreichen Kämpfen fort und erreicht mit der gesamten Inszenierung einer intelligenten Story seinen Höhepunkt. Kratos war noch nie so anders und trotzdem noch nie so sehr er selbst, wie es an der Seite von Atreus der Fall ist. Getrübt wird alles nur von vielen Gebieten, die wir doppelt besuchen müssen und der Tatsache, dass uns nicht signalisiert wird, an welche Quests wir uns beruhigt heranwagen können und welche unsere Fähigkeiten überfordern. Hier hätte sich das Team ebenfalls bei Rollenspielen wie The Witcher III oder anderen einen Tipp holen können. Nichtsdestotrotz gehört God of War zu den Spielen, die jeder volljährige PlayStation 4-Besitzer gespielt haben sollte.
Volljährige Gamer mit Hang zur Open-World sollten auch einen Blick auf unsere Review zu Far Cry 5 werfen. Nächsten Monat erwartet uns außerdem Detroit: Become Human aus dem Hause Quantic Dreams. Hier findet ihr unsere Preview zum Titel.
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