Far Cry 5 im Test – Konnte Eden’s Gate uns bekehren?
Was haben wir gestaunt, als wir das erste Mal von Far Cry 5 gehört haben. Die Tatsache, dass sich Ubisoft in der fünften Auflage des beliebten Open-World-Games wirklich an ein Sekten-Setting herangewagt hat, ist aller Ehren wert. Schließlicht ist es nicht leicht (Irr-)Glaube in passenden Bildern einzufangen. Gerade nachdem mit American Horror Story eine unserer Lieblings-Serien das Thema eines Politisch-Religösen-Kultes in Amerika aufgegriffen hat, schafft es die Thematik nun also auch in unser liebstes Medium.
Während mit dem Story-Gerüst also ein solider Grundstein gelegt wurde, hat uns Ubisoft zuletzt mit Assassin’s Creed Origins davon überzeugt, dass der Publisher in der Lage ist, Open-World-Erlebnisse nahe der Perfektion zu servieren. Die vor dem Launch gezeigten Trailer versprachen zudem eine tolle Abwechslung zwischen Action, Kult und allerlei Nebenbeschäftigungen. Warum Far Cry 5 für viele ein grandioses Game ist und uns dennoch nicht ganz in seinen Bann gezogen hat, lest ihr in unserer Review.
Far Cry 5 – Welcome to Hope County
Far Cry 5 beginnt alles andere als hektisch. Gemeinsam mit einem US-Marshal und einer kleinen Eingreif-Truppe wollt ihr einen religiösen Kult stoppen, bevor er richtig Fahrt aufgenommen hat. So spaziert ihr in aller Ruhe gemeinsam in die Kirche des selbsternannten Vaters Joseph Seed und nehmt ihn, wenn ihr euch denn dafür entscheidet, gefangen. Ihr seid bereits im Hubschrauber, als doch noch alles scheitert. Euch gelingt nicht zuletzt dank fremden Helfern die Flucht. Von diesem Zeitpunkt an seid ihr mehr oder weniger auf euch allein gestellt. So beginnt ihr Kontakte zu knüpfen, um eine Revolution auf die Beine zu stellen, die sich gewaschen hat. Euer löbliches Ziel ist es, eure verschollenen Team-Mitglieder und die Bewohner von Hope County zu retten.
Die meisten Story-Abschnitte des Open-World-Games haben es wirklich in sich. Sie sind imposant inszeniert, geizen nicht mit Spannung und haben sogar die eine oder andere Überraschung für euch parat. Leider wird viel zu schnell deutlich, dass die Sekten-Anhängerschaft auch nur eine Privatarmee mit Glaubens-Branding ist. Gleichzeitig sind eure Verbündeten sehr eindimensional und regelrecht austauschbar. Nehmen wir nun noch dazu, dass die Seed-Familie scheinbar direkt einem „Bösewichte leicht gemacht“-Kurs entspringt, erhalten wir bereits an dieser Stelle einen unserer größten Kritikpunkte. Ubisoft hat das Potenzial der Sekten-Thematik nur unzureichend genutzt. Mögliche Ecken und Kanten, die Far Cry 5 unvergesslich hätten machen können, wurden gegen Gegner-Allerlei getauscht – Schade!
Der Star des Spiels
Der Star des Spiels ist nicht etwa eure Figur, die ihr als Mann oder Frau aus verschiedenen Gesichtern, Hauttönen oder Frisuren, die sogar den guten alten Fokuhila beinhalten, konfiguriert. Es ist die große Spielwelt. Sie hält unglaublich viele Aufgaben für euch bereit. Damit meinen wir keineswegs die Sekten-Silos, die ihr in die Luft jagen könnt. Die Spielwelt lebt. Ihr geht auf die Jagd oder versucht euer Glück beim Angeln. Die erbeuteten Felle und weitere Tierprodukte könnt ihr wiederum für gutes Geld verkaufen. Ganz ohne Waffengewalt geht es an die Prepper-Verstecke, die ihr in ganz Hope County findet. Diese versprechen euch tolle Belohnungen. Was jedoch fast noch wichtiger ist als das, ist die Tatsache, dass sie die wohl größte Abwechslung zum Sprengen, Schießen und Befreien darstellen.
Die Prepper-Verstecke strengen nämlich eure grauen Zellen an. Dies meist nicht so sehr, dass ihr vor unlösbare Herausforderungen gestellt werdet. Dennoch setzen sie die Reize an den richtigen Stellen und sind deshalb auch eines der Highlights, die Ubisoft in Far Cry 5 verborgen hält. Auch waghalsige Herausforderungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft hat das Open-World-Game für euch kaltgestellt. Serviert werden sie jedoch brandheiß. Gute, alte Checkpoint-Rennen lassen grüßen. Natürlich sind Fahren und Fliegen auch in den Story-Missionen ein wichtiger Bestandteil. Aber dort sind die Aufgaben so gestaltet, dass auch Spieler ohne Benzin im Blut nicht verzweifeln.
Lass es uns tun
Ubisoft hat ein Herz für Spieler, die ungern allein losziehen, um sich einer bis auf die Zähne bewaffneten Sekte zu stellen. So hat der Publisher sich ein tolles Feature einfallen lassen. Von den vielen Personen, denen ihr auf eurer Reise durch Hope County zur Seite steht, könnt ihr viele rekrutieren. Diese stehen euch dann im Kampf zur Seite und halten interessante Spezialitäten für euch bereit. Sei es, dass sie euch aus der Luft unterstützen, eure Fahrzeuge reparieren, euch wiederbeleben oder Gegner markieren beziehungsweise euch Waffen bringen. Diese Rekruten sind dabei, wie ihr sicherlich im Vorfeld bereits erfahren habt, nicht nur menschlich. Da wäre zum Beispiel der vierbeinige Boomer, euer bester und treuster Begleiter. Das ist jedoch längst nicht alles. Auch hier hält Far Cry 5 Überraschungen bereit.
Natürlich könnt ihr euch auch die Unterstützung eines eurer Freunde holen. Online-Features sei Dank ist es möglich, die gesamte Story im Team zu meistern. Es gibt jedoch einen großen Haken. Der Spielfortschritt wird nur beim Host gespeichert. Seid ihr also nicht bereit jede Mission gemeinsam zu spielen, muss sie einer doppelt antreten. Dies wirkt für uns mehr als inkonsequent und wertet die tolle Koop-Idee spürbar ab.
Ein echter Kracher
Die Gameplay-Mechaniken von Far Cry 5 sind mannigfaltig. Dabei halten sie auch in Sachen Qualität ausreichend Abwechslung für euch parat. Übertrumpft wird alles von den Schusswechseln, die intuitiv und extrem flott von der Hand gehen. Egal, ob ihr zum Scharfschützengewehr, zum Kompositbogen mit Erweiterungen oder auch zum Maschinengewehr eurer Wahl greift, ihr lichtet die gegnerischen Reihen im Flug. Das übrigens nicht nur sprichwörtlich. Leider wird die gegnerische KI dem selten gerecht. Viel zu häufig laufen euch Gegner direkt ins Schussfeld, benutzen Rauchgranaten, wenn es euch zu Gute kommt oder bemerken euch zu spät. Das hilft dabei, den Überzahl-Situationen zu entkommen, die Atmosphäre profitiert davon allerdings nicht. Zudem wirkt die Tatsache, dass die Gegner immer wieder in deutlichen Wellen kommen, etwas altbacken.
Während sich Flugobjekte wirklich gut fliegen lassen und nur bei schwierigeren Manövern einmal schwerer zu steuern sind, ist das Handling von Fahrzeugen stark von der Art des Boliden abhängig. Wir haben es geliebt, mit einem riesigen Truck durch gegnerische Absperrungen zu brettern. Ansonsten hat uns die Fahrphysik nicht immer überzeugt. Die Fahrzeuge wirkten häufig zu leicht. Dies störte vor allem dann, wenn sie im Gelände die Bodenhaftung verloren. Umso schöner ist jedoch die Cockpit-Ansicht und die Vielzahl der fahrbaren Untersätze, die der Vielfalt des Games positiv zu Gute kommen. Wenn ihr nicht gerade lauft oder fahrt, schwimmt ihr, nutzt Fallschirm beziehungsweise Wingsuit oder verwendet die vielen verschiedenen Seilrutschen, um an die Orte eurer Wahl zu kommen. Neue Aufgaben werden Übrigens durch das Entdecken freigeschaltet und sind nicht mehr weiter vom Erklimmen von Türmen abhängig. Wie erwähnt, macht genau dieses Entdecken sehr viel Spaß.
Für Nachschub ist gesorgt
Inhaltsnachschub gibt es bei Far Cry 5 übrigens nicht nur durch den mittlerweile obligatorischen Season-Pass. Mit der im Spiel integrierten Plattform Far Cry Arcade lassen sich einzelne, von Spielern erstellte Aufgaben herunterladen. Bei der Erstellung greifen die fleißigen User auch auf Bausteine aus anderen Ubisoft-Serien wie Assassin’s Creed oder Watch Dogs zurück. Spieler haben außerdem die Möglichkeit das Erlebnis im Anschluss zu bewerten. So sind reichlich zusätzliche Inhalte sichergestellt. Natürlich findet ihr bei Far Cry Arcade auch die üblichen Online-Multiplayer-Modi, die zur Komplettierung des Gesamtpaketes nicht fehlen dürfen. Die Integrierung zusätzlicher Singleplayer-Inhalte ist für uns jedoch ein Vorzug, den wir sehr begrüßen. Da stört es uns auch kaum, dass wir an jeder Arcade-Station im Spiel von einem NPC an die Tatsache erinnert werden.
Schönheit (fast) neu definiert
Für ein Open-World-Game dieser Größe bringt Ubisoft nicht nur ein extrem gut laufendes und weitestgehend fehlerfreies Spiel auf Konsolen und PC. Far Cry 5 sieht selbst auf der Xbox One S toll aus. Hope County kann die Kombination aus Idylle und Wahnsinn nur so gut darstellen, weil die Umgebung die perfekte Ländlichkeit in jedem noch so kleinen Moment ausstrahlt. Wenn am Morgen über einem Feld die Sonne aufgeht, fühlt ihr euch wie in einer Werbung für Caro Landkaffee. Eigentlich erwartet ihr, dass der Milchwagen vorbeifährt und der Zeitungsjunge die neusten Nachrichten vor eure Tür wirft. Stattdessen tauchen plötzlich Pickups mit MGs auf und ihr kämpft ums nackte überleben. Genau das ist Hope County.
Egal ob ihr in der Luft oder im Wasser unterwegs seid, wir waren von der gebotenen Weitsicht sehr angetan und menschenleere Jagdgebiete sowie scheinbar erholsame Seen sind die perfekte Abwechslung zu den bewohnten und geschäftigen Siedlungen. Wenn ihr angeln geht, vergesst ihr gerne, dass ihr vor kurzem noch um euer Leben gekämpft habt. Wenn es allerdings zum Kampf kommt, fühlt ihr euch nicht selten als wärt ihr Teil eines Krieges. Explosionen, Kugelhagel und fallende Gegner ziehen euch in einen morbiden Bann, der ab und an durch Drogeneinfluss eine zusätzliche Facette bekommt. Optisch ist Far Cry 5 für uns über jeden Zweifel erhaben.
Kumbaya my Lord, Kumbaya …
Ihr nähert euch einer Kirche und von außen vernehmt ihr einen bekannten Klang. Es klingt nach einem der vielen, weltweit bekannten Liedern, die in Kirchen und auf Friedhöfen zum Besten gegeben werden. Ihr wisst direkt, dass dieses Lied im diesem Fall ein Sinnbild für Tod und Vernichtung ist. Dass die Urheber hinter diesen Tönen euch ans Fell wollen. Dennoch seid ihr fasziniert. Diese Faszination übt die Akustik hinter Far Cry 5 immer mal wieder auf euch aus. Dann, wenn Propaganda aus Lautsprechern und Fernsehern schallt oder ihr euch Sekten-Fahrzeugen nähert, deren Fahrer ihre Autoradios kurz vor ihrem Ableben nicht ausschalten konnten.
Auch die Auswahl der Hits in eurem eigenen Autoradio verdeutlicht, dass in Far Cry 5 viel Arbeit und ein klares Konzept steckt. Dies zieht sich durch das gesamte Spiel. Je nach Mission oder Situation bekommt ihr so mal mehr oder mal weniger auf die Ohren.
Unser Fazit zu Far Cry 5
Mit seinen tollen Schusswechseln und der lebendigen Spielwelt nimmt Far Cry 5 abgesehen von der nicht immer überzeugenden Gegner-KI einen Platz unter den technisch beeindruckendsten Open-World-Titeln ein. Die überzeugende Vertonung leistet in Sachen Atmosphäre sogar noch Beihilfe und sorgt insgesamt für eine unvergessliche Kulisse. Leider sind es die Schauspieler, die der Kulisse nicht gerecht werden. Weder die Sekten-Thematik wurde ausreichend mit Leben gefüllt, noch sind die unterstützenden Begleiter so gestaltet, dass man etwas über sie erfahren möchte oder ihnen gar sein digitales Leben anvertraut. Die Gegner-Horden sind zudem mehr Militärbund als Sekte. Und die Seeds ein Griff ins Bösewicht-Allerlei. Bei der Aufgaben-Struktur hat Far Cry 5 seine Vorgänger übertroffen, kommt aber nicht an Hauseigene Titel wie Watch Dogs 2 oder Assassin’s Creed Origins heran. Für Fans der Serie ist Far Cry 5 dennoch ein klarer Pflichtkauf und auch Open-World-Fans machen machen mit dem Ubisoft-Game wenig verkehrt.
Ihr könnt zu Open-World-Games selten „Nein“ sagen, dann könnten die aktuellen Reviews zu Assassin’s Creed Rogue Remastered und Sea of Thieves ebenfalls euer Interesse wecken. An dieser Stelle lest ihr zudem, was wir uns von Far Cry 5 erhofft haben.
Solltet ihr nun selbst Lust bekommen haben, Hope County sicher zu machen, dann greift gerne über den unten eingebundenen Amazon-Link zu. Bei einem Kauf unterstützt ihr uns direkt. Nachteile entstehen euch nicht.
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