Für unsere Review zu Marvel’s Spider-Man haben wir uns extrem viel Zeit gelassen. Dies liegt nicht nur daran, dass wir viel Spaß beim Spiel hatten. Nach einem Gamescom-Termin samt Entwickler-Interview sind wir uns und euch das einfach schuldig. Warum für uns nicht alles perfekt ist? Lest selbst!
Zugegeben, hätte sich keine Null in unsere Adresse gemischt, hätten wir unsere Review ziemlich genau ein Wochenende früher veröffentlichen können. Schließlich war das genau die Zeit, die es gekostet hat, bis der Kurier die Ersatzlieferung vorgenommen hat. Das gab uns jedoch die nötige Ruhe, die wir brauchten, um uns auch die kleinsten Aspekte des Spiels genau durch den Kopf gehen zu lassen. Außerdem hatten wir gleichzeitig unser SenseForce PX für den Testbetrieb im Einsatz. So konnten wir zwei Fliegen mit einem sehr sehr großen Spinnennetz fangen.
Weder Maguire noch Garfield oder Holland
Die Story rund um Peter Parker ist mit Sicherheit keine unbekannte für euch. Dennoch distanziert sich Insomniac Games absichtlich von den Kino-Auftritten von Spidey und dortigen Widersachern, auf die ihr zum großen Teil auch in seinem neuen Videospiel-Abenteuer trefft. Dies wird nicht nur durch einen eigenen Anzug deutlich. Auch an anderen Stellen stammen Einflüsse und eher aus den Comics. Marvel’s Spider-Man beginnt einige Jahre nach dem verheißungsvollen Spinnenbiss. Peter arbeitet, sofern es sein Nebenjob zulässt, in einem Labor, wo er seine Intelligenz voll einbringen kann und Tante May unterstützt bei der Arbeit in einer sozialen Einrichtung den Bedürftigen. Wenn On-Off-Freundin Mary Jane Watson nicht gerade mal wieder von Peter getrennt wäre, gäbe es kaum Anlass zur Beschwerde.
Wenn uns Superhelden-Abenteuer etwas lehren, dann ist es die Tatsache, dass eine ruhige Phase nie von Dauer ist. Gerade als Peter Parker sich Wilson Fisk entgegenstellt und ihn endlich hinter schwedische Gardinen bringt, füllt ein neuer Unbekannter das kriminelle Macht-Vakuum. Schnell wird klar, dass Spider-Man ganz andere Probleme hat, als seine Beziehung mit Mary Jane zu kitten und seine Miete zu bezahlen. Seine neuen Probleme sind mächtiger, zahlreicher und Hartnäckiger als alle, mit denen er sich vorher befassen musste. Kann er diese Prüfung bestehen?
Spider-Man in Höchstform
Jacinda Chew von Insomniac Games hat nicht zu viel versprochen, als sie die Story von Marvel’s Spider-Man in unsrem Interview als die größte Leistung des Teams betitelte. Die Hauptmissionen haben wirklich nichts vermissen lassen. Wir finden gleichzeitig Dramatik, Humor, Spannung und eine riesige Portion Action in den zahlreichen Aufgaben, denen sich unser Held stellen muss. Unsere Gefühle wurden dabei nicht nur durch die viele Kleinigkeiten im Spiel angesprochen, die uns immer wieder unsere Erinnerungen an den Spinnenmann ins Gedächtnis riefen. Uns hat überrascht, wie viel Herz und Kopf in der Story des Blockbuster-Games stecken.
Dabei hat es das Team geschafft, viele bekannte Gesichter ins Spiel einzubauen, ohne dass das Game so überladen erscheint, wie der dritte Auftritt von Tobey Maguire. An der einen oder anderen Seite hätten wir uns dennoch gefreut, wenn Hintergründe von einzelnen Charakteren besser erläutert worden wären. Dafür gibt es jedoch auch Charaktere, wie Miles Morales, der genau die Zeit bekommt, die er verdient und auch Mary Jane wird die notwendige Zeit gewidmet. Sie bekommt schließlich auch eigene spielbare Auftritte im Rahmen der Hauptmissionen.
Eine lebendige Stadt mit schmutzigen Ecken
Dreh und Angelpunkt unserer Abenteuer ist das toll eingefangene New York. Mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten und dem Erscheinungsbild, das sich im Laufe der Story deutlich verändert, bietet es einen tollen Spielplatz. Erstmals schwingen wir uns nicht nur an Gebäuden vorbei. Wir können auch einen Blick durch die vielen Fenster werfen und genießen einen Weitblick, der uns in vorherigen Spidey-Titeln nicht vergönnt war. Das Game zeigt, was die PlayStation 4, beziehungsweise in unserem Fall die PlayStation 4 Pro auf dem Kasten hat. Framerate-Einbrüche waren an einer Hand abzuzählen und vor allem die Lichteffekte in Verbindung mit Spideys Anzügen sind eine Wucht.
Schade finden wir lediglich die fehlende Kreativität bei Nebenaufgaben. Zwar war es für uns schön, auf die Jagd nach Rucksäcken zu gehen oder auch mal eine Taube zu fangen. Aber viel zu häufig ging es nur darum, eine Zahl komplett zu bekommen. Zufalls-Verbrechens-Bekämpfungen, Gegner-Stationen, Herausforderungen und Forschungsstationen sind zu viel des Guten. Gute Spiele wie Detroit kamen schließlich auch ohne das Sammeln oder Erledigen von verschiedenen Gegenständen oder Aufgaben aus. Zufallskämpfe kann man einbauen. Nehmt aber bitte den Zwang raus. Im Endeffekt bleibt uns Gamern sowieso die Story und das gesamte Spielgefühl im Kopf. Da wirken künstliche Spielverlängerungen, die Trophy-Hunter dazu bringen, mehrmals das gleiche zu tun, eher schädlich. Sorgt mit wenigeren aber gescheiten Nebenquests dafür, dass wir gerne unsere Trophys nebenbei erspielen.
Vorbildliche Netzabdeckung
Ein wichtiger Faktor in den Kämpfen ist eure Umgebung. Anders als bei Batmans letzten Auftritten ist es zwar wichtig, auf mögliches Kontern zu achten. Ihr seid jedoch um ein vielfaches schneller und interagiert in Windeseile mit Mülltonnen, Gullydeckeln und anderen größeren und kleineren Dingen, die die Welt für euch bereit hält. Selbst vor Autotüren und Gegnern selbst macht ihr nicht halt. Alles was ihr werfen könnt, solltet ihr also auch ruhig werfen. Das wird euch einfacher gemacht als je zuvor und die Kombination aus L1 und R1 wird euer bester Freund. Dank eurer Netze befestigt ihr Gegner außerdem vorzeitig an Geländern, Wänden, Fahrzeugen und dem Boden. Verlasst ihr ein Schlachtfeld, ist es ein Genuss zu sehen, wo ihr eure Gegner überall angebracht habt.
Bossgegner sind ebenfalls mit von der Partie und unterscheiden sich von diesen Massenschlachten. In den Kämpfen gelten jedoch ähnliche Regeln wie in jedem anderen Kampf. So fallen sie geübten Kämpfern dementsprechend leicht. Erleichtert wird euch euer Kampf außerdem durch Fokus, den ihr ansammelt. Diesen Fokus wandelt ihr entweder in Heilungsenergie oder in Finisher-Moves um. Das bringt ebenso einen taktischen Aspekt in den Kampf, wie die extra ausgerüstete Anzugskraft. Diese fällt von Anzug zu Anzug komplett unterschiedlich aus und lädt sich mit der Zeit auf. Drei Schwierigkeitsgrade sorgen zu Beginn dafür, dass ihr weder über- noch unterfordert werdet. Wir haben wie üblich mit der goldenen Mitte begonnen und dies nicht bereut.
Gut gesammelt ist halb gewonnen
Beschäftigt euch gerade einmal nicht die Hauptstory, die mit reichlich Erfahrungspunkten ködert, sammelt ihr bei verschiedensten Nebenaufgaben unterschiedliche Marken mit denen ihr eure Ausrüstung verbessert und neue Anzüge freischaltet. Jeder neue Anzug bringt seine eigene Anzugkraft mit. Diese ist nicht an den einzelnen Anzug gebunden. So lohnt es sich auch dann weiter zu sammeln, selbst wenn ihr euren Lieblings-Anzug schon besitzt. Freunde von Infinity War dürfen sich auf den passenden Anzug zum Film freuen, der als Anzugkraft auch mit den Metall-Armen versehen ist. Wie erwähnt gibt es für uns allerdings zu viele Punkte, die wir als Superhelden wirklich abarbeiten mussten.
Neben den Aufgaben auf New Yorks Straßen, die sogar alte Rucksäcke beinhalten, beschäftigen euch immer wieder Mini-Herausforderungen. In diesen baut ihr verschiedene Schaltkreise oder Isoliert chemische Bestandteile. Beides klingt sehr wissenschaftlich, geht allerdings leicht von der Hand und macht Spaß. Zudem passen die Schaltkreise und Chemikalien sehr gut zu Peters Laborarbeit und zu seiner Tätigkeit als clevere Spinne.
Großes Comic Superhelden Kino
So sehr uns die uninspirierten Nebenaufgaben und die paar blassen Nebencharaktere ein Dorn im Auge waren, so sehr haben uns Storyline und auch die Präsentation überzeugt. Die Gesichter von Peter, Tante May, Norman Osborn und anderen sind wunderbar umgesetzt. Außerdem wirken ihre Bewegungen natürlich und die vielen Zwischensequenzen geben das Gefühl, Teil eines großen Superheldenalltags zu sein. Die Tageszeit ändert sich mit dem Fortschreiten der Story und lässt sich nach erfolgreicher Beendigung des Spiels selbst ändern. Vor allem im Sonnenuntergang entstehen Bilder, die direkt auf ein Kinoplakat passen. Dies beweist auch der eingebundene Fotomodus, der Social-Media-Kanäle ordentlich füttert. Auch wir sind auf Twitter schon ein Bild losgeworden.
Spideys Bewegungen sind so schnell und agil, wie sie bei einem Superhelden seines Kalibers sein sollten und lassen Rocksteadys Batman alt, langsam und schwerfällig erscheinen. Die vielen Anzüge machen ebenfalls einen ausgezeichneten optischen Eindruck und fügen sich wunderbar ins Spiel ein. Meistens erscheinen sie auch in verschiedenen Cutscenes. Nur an einem Schlüsselmoment der Story war dies bei uns nicht der Fall.
Ein Soundtrack, der uns beglückt
Die Vertonung von Marvel’s Spider-Man ist klasse. Besonders gute Arbeit machen dabei die deutschen Synchron-Sprecher, die nicht nur perfekt zu den Personen passen. Sie sorgen auch dafür, dass das, was das Team durch die gute Optik sichergestellt hat, nicht durch die Akustik zerstört wird – Immersion. Als Teil des Geschehens erleben wir Explosionen, Rhinos Stampfen, Hubschrauber, Raketen und unsere Gegner hautnah. Natürlich hat unsere SenseForce-Matte dabei geholfen. Dennoch ist jedes Netz-Zischen und jeder Gewehr-Schuss so, wie wir ihn uns vorstellen würden.
Synchro und Soundeffekte sind jedoch nur die halbe Miete. Nahezu Herrausragend ist der Soundtrack des Spiels. Dieser passt einfach wunderbar zu Spider-Man. Damit meinen wir nicht nur Marvel’s Spider-Man, sondern zum Superhelden selbst. Wir hören vieles von dem heraus, was wir an der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft schätzen und lieben. Leichtigkeit ist ebenso teil des Themes wie Lebensfreude, Energie, Kraft, Kampf und das Sträuben gegen scheinbar übermächtige Gegner. Da lohnt es sich, dem ganzen Abspann zu lauschen. Nicht nur wegen der Post-Credit-Scenes.
Unser Fazit zu Marvel’s Spider-Man
Marvel’s Spider-Man macht vieles einfach nur goldrichtig. Die Story ist fesselnd und dürfte jeden, der nur ansatzweise eine Sympathie für den Netzschwingenden Superhelden empfindet, mehr als befriedigen. Mit Spannung, Action, Drama, Humor und sehr viel Herz haben wir mehr bekommen, als wir uns erhofft haben. Dass dies so gut klappt, wird durch eine tolle technische Umsetzung samt wunderbar flüssigen Animationen, einem rasanten, vielfältigen Gameplay und einer tollen Stadt sichergestellt. Eine tolle Vertonung und ein mitreißender Soundtrack verstärken sämtliche cineastischen Aspekte des Spiels. Nicht gefallen haben uns die gezählten Zufallskämpfe mit verschiedenen Gegner-Gruppen auf Straßen und in Basen, das Verdienen von Marken durch immer wieder ähnliche Herausforderungen und andere Sammel-Quests, bei denen sich gleiche Vorgänge immer wiederholen. Hier wünschen wir uns lieber mehr durchdachte Quests mit Sidestories, bei denen wir unsere Trophäen eher nebenbei fangen als sie mühevoll zu ersammeln.
Solltet ihr nun wieder Lust auf Superhelden-Abenteuer haben, empfehlen wir euch Avengers: Infinity War und Black Panther. Ein besonderes Open World Abenteuer erwartet euch zudem mit Yakuza Kiwami 2.
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