Sea of Thieves im Test – Siebzehn Mann auf des Totenmanns Kiste…
Nach unserer Gamescom-Preview und unserem Besuch in London konnten wir uns nun endlich in das volle Sea of Thieves Erlebnis stürzen. Während uns unsere vorherigen Erfahrungen mehr als nur einen kleinen Überblick über die Gestaltung und das Ziel des digitalen Piraten-Abenteuers ermöglicht haben, gilt es nun die eigene Jungfernfahrt anzutreten und dabei in Kontakt mit den anderen Spielern der Weltmeere zu treten. Für uns ging es also heraus aus der gut gehüteten Messe-Atmosphäre und hinein ins ungezügelte Abenteuer.
Wir geben bereits an dieser Stelle zu, dass wir in unserem Piraten-Alltag mit allerhand Widrigkeiten kämpfen mussten. Die Stärken und Schwächen der Piraten-Simulation werden genauso schnell klar, wie das riesige Potenzial, das die Welt von Sea of Thieves birgt. Doch bevor wir all unser Pulver schon zu frühem Zeitpunkt verschießen, begebt euch mit uns auf unsere Review-Schaluppe.
Sea of Thieves – Nicht alle Schätze sind aus Gold und Silber
Der Einstieg ins Spiel fällt mehr als leicht. Einen komplexen, umständlichen Charakter-Editor gibt es nicht. Dafür lasst ihr euch auf Knopfdruck einfach so lange Piraten generieren, bis der richtige für euch dabei ist. Das hat den Vorteil, dass ihr so auch an Charaktere kommt, die ihr selbst nicht kreiert hättet. Gleichzeitig ist es euch nahezu unmöglich, euch nachzubauen. Ihr müsst nicht befürchten, dass sich die einzelnen Charaktere zu ähnlich sind. Es gibt ausreichend viele Variablen, die sicherstellen, dass ihr eine schier unendliche Auswahl an Piraten habt. Es ist also auch nicht ausgeschlossen, dass ihr einen erschafft, der euch ähnlich sieht. Dies kann jedoch dauern.
Im Spielverlauf habt ihr außerdem die Möglichkeit, euren Charakter weiter zu gestalten. So kauft ihr Augenklappen, Holzbeine, Bärte, Kleidung oder Hakenhände. Aktuell bezahlt ihr übrigens jede Erweiterung bei den Händlern des Spiels mit Ingame-Währung. Dies soll sich auch erst später ändern, wenn Mikrotransaktionen via Update einen Weg ins Spiel finden. Selbst dann wird es keine Lootboxen geben. Gekaufte Gegenstände sollen sich zudem nur auf euer Lebensgefühl als Pirat auswirken. Einen Vorteil im Spielverlauf könnt ihr euch nicht erkaufen.
Ein Kapitän ohne Crew oder eine Crew aus Kapitänen
Zuweilen erinnerte uns Sea of Thieves daran, wie mühselig es sein kann, Teil einer Welt aus vielen verschiedenen Individuen zu sein, deren Ziel es ist, mindestens so viel Spaß zu haben, wie ich. Das macht sich immer dann bemerkbar, wenn sie ihre Piraten-Freiheit auf meinen Kosten leben. Gerade dann, wenn man allein auf hoher See unterwegs ist, schwebt ein permanentes Piraten-Damokles-Schwert über dem eigenen Seeräuber-Haupt. Da hilft es auch nicht, sich im Falle eines Angriffs auf das Parley-Recht zu beziehen. Der Piraten-Kodex bedeutet einfach niemandem mehr etwas. Außerdem sind es sowieso eher Richtlinien als ein richtiges Gesetz.
Der Wind dreht sich für euch in dem Moment, in dem ihr als Teil einer großen, gut funktionierenden Crew auf Beutefang geht. Sowieso macht Sea of Thieves zu mehreren am meisten Spaß. Einen großen Anteil daran hat die Seefahrt an sich, die in großen Schiffen schlichtweg darauf ausgelegt ist, von mehreren ausgeführt zu werden. Klare Anweisungen und Seeleute, die genau wissen, was zu tun ist, sind das A und O. Umso wichtiger ist es, dass ihr euch als Teil der Crew seht und nicht als übermächtigen Piraten-König. Auch hier drohen mögliche Fallstricke und schlimmstenfalls der Gang über die Planke.
Sea of Thieves verrät nie zu viel
Habt ihr euren ersten Fuß in die Welt von Sea of Thieves gesetzt, kann es auch schon losgehen. Im Piraten-Abenteuer geht es hauptsächlich darum, viele Dinge auf die harte Tour zu lernen. Es gibt keine Piraten-Ausbildung. Das gibt euch auch der Rare-Titel nur zu deutlich zu verstehen. Natürlich erhaltet ihr genau dann Einblendungen, wenn ihr einen wichtigen Gegenstand, einen interessanten NPC oder etwas zum Einsammeln entdeckt habt. Dennoch fordert das Abenteuer in hohem Maße euer Eigenengagement. Niemand sagt euch zu Beginn, wo euer Schiff steht, wo ihr Aufträge bekommt oder wie ihr diese aktiviert. Ihr hangelt euch von Aufgabe zu Aufgabe und verinnerlicht so immer mehr eure eigene Interpretation des Piratenlebens. Dazu gehört natürlich auch die Schifffahrt. Eine richtige Story gibt es übrigens nicht. Ihr sollt schließlich eure eigene Seefahrer-Geschichte schreiben. Ob ihr lieber die Aufträge des Handelbundes, des Seelenordens oder der Goldsammler annimmt, liegt in euren Haken-Händen. Es gibt auf jeden Fall genug zu tun und zu entdecken.
Seid ihr allein auf einer kleinen Schaluppe unterwegs, ist Multi-Tasking gefragt. Ihr werft immer wieder einen Blick auf eure Karte, die tatsächlich auf einem Tisch liegt und euch nicht etwa digital eingeblendet wird. Auch eine Geschwindigkeitsanzeige sucht ihr vergebens. Stattdessen entwickelt ihr ein Gefühl für euer Schiff, der richtigen Position des Segels und dem Manövrieren. Als Teil einer Crew spezialisiert ihr euch. Ihr steht an der Kanone, beseitigt Lecks, setzt die Segel oder lichtet den Anker. Dafür entscheidet ihr nicht immer, wohin es als nächstes geht. Ihr habt nämlich nur eine einzige Stimme. Da ist Sea of Thieves komplett demokratisch. Was das überqueren der Meere angeht, gilt es für Ubisofts Skull and Bones also das tolle Gefühl, das Sea of Thieves vermittelt, zu toppen.
Eine Atmosphäre, die ihres Gleichen sucht
Ein unbestreitbares Highlight ist die Atmosphäre, die Sea of Thieves auf den Bildschirm zaubert. Diese setzt sich aus verschiedenen Punkten zusammen, die wir nur zu gerne erläutern. Zum einen wäre da die Comic-Grafik, die dem Piraten-Abenteuer ein ganz eigenständiges Design verleiht. Gleichzeitig sind Meer, Wetter und das Fahrgefühl der Schiffe so detailliert und hochwertig ausgearbeitet, dass sie grafisch mit den besten Erlebnissen dieser Generation mithalten können. Was also zunächst wie ein Optischer-Stilbruch wirkt, bereichert den optischen Part der Seeräuber-Atmosphäre, die einen großen Reiz des Spiels ausmacht.
Ergänzt wird die Optik durch eine wunderbare Vertonung. Stehen wir an Deck unseres Schiffes, ist es nur zu angenehm, einfach einmal die Augen zu schließen, den peitschenden Wogen, dem Wind und den wehenden Segeln zu lauschen. Zusätzlich vernehmen wir Geräusche wie das Splittern von Holz, das Knallen von Pistolen und nicht zuletzt das brachiale Einschlagen von Kanonenkugeln. Es ist sicherlich nicht notwendig zu erklären, dass ihr in diversen Tavernen zusätzlich tollen Piraten-Tönen lauschen könnt, die euch regelrecht in die Welt der raubeinigen Seeleute katapultieren.
Fortschritt durch Kampf oder Arbeit
Sea of Thieves schreibt euch nichts vor. Diese Tatsache wirkt sich auch auf die Art aus, wie ihr euer Geld verdient. Obwohl das Meutern anderer Schiffe eindeutig die beliebteste Methode ist, an funkelnde, wertvolle Fracht zu kommen, ist das Erledigen von einfachen Aufträgen meist sogar die lohnendere Alternative. Aufträge nehmt ihr allein oder im Team an. Nach unserer Erfahrung ähneln sich eure Aufgaben jedoch etwas zu schnell. Hier hätten wir uns noch ein wenig von der Kreativität gewünscht, die Sea of Thieves überhaupt erst ermöglicht hat.
Hier kommen wir jedoch an einem Punkt, den wir Sea of Thieves allein aufgrund seiner Gattung anrechnen müssen. Es handelt sich um eine digitale Welt, wie sie leibt und lebt und ist so auch in der Lage sich zu verändern, durch Events erweitert zu werden und weitere ganz neue Aspekte zu integrieren. Dabei meinen wir nicht nur Mikrotransaktionen. Außerdem tummeln sich bereits jetzt viele Gamer auf den Servern. Hier kommt auch Microsofts Entscheidung zum Tragen, dass Exklusivtitel nun auch im Game-Pass eingebunden sind und Sea of Thieves der neuen Xbox One X beiliegt.
Unser Fazit zu Sea of Thieves
Für Rares Seeräuber-Abenteuer spricht die tolle Seefahrt-Atmosphäre in Verbindung mit liebevoller Gestaltung und dem toll umgesetzten Piraten-Thema. Die Welt ist weiträumig, belebt und hält einiges zum Entdecken für euch bereit. Zusätzlich sind die wechselnden Wetter-Bedingungen mehr als ansehnlich und die Seefahrt-Mechanik ist überragend. Leider sind es wie so häufig andere Spieler, die euer Spiel durch aggressive Auslegung des Piraten-Daseins immer wieder sabotieren. Gleichzeitig werden Spieler, die gerne zunächst an die Hand genommen werden, sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen. Abzüge gibt es ebenfalls für die Aufträge, die sich insgesamt zu sehr ähneln. Nichtsdestotrotz ist Sea of Thieves für alle, die schon als Kind den Holz-Säbel geschwungen haben und ihre See-Schlachten am liebsten online austragen mehr als einen Blick durchs Fernglas wert.
Ihr steht auf Abenteuer auf hoher See und wollt einen Blick über Sea of Thieves hinauswerfen? Dann werft gerne einen Blick auf unsere Review zu Assassin’s Creed Rogue Remastered. Ein Schiff erhaltet ihr nach kurzer Spielzeit übrigens auch in Ni No Kuni 2.
Sollte Sea of Thieves jedoch genau das richtige Game für euch sein, schaut gerne über den unten eingebauten Link bei Amazon vorbei. Schlagt ihr dort zu, unterstützt ihr uns direkt. Nachteile entstehen euch nicht.
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