Road 96 im Test – Auf den Straßen einer Indie-Perle
In Road 96 lässt Indie-Spezialist DigixArt Spieler gleich mehrere Flüchtlings-Abenteuer samt interessanten Charakteren, Lagerfeuer-Romantik und echtem Überlebenskampf erleben. Nach dem beeindruckenden 11-11: Memories Retold konnten wir es nicht erwarten mit Road 96 auch Hand an das neue Abenteuer des Studios zu legen.
Road 96 versetzt Spieler nacheinander in die Haut von mehreren Jugendlichen auf ihrem Weg aus dem totalitären Staat Petria. Die Startpunkte der Flüchtlinge sind dabei ebenso verschieden wie ihr prozedural generierter Reiseverlauf. Alle starten im Sommer 96 ihre Flucht und treffen auf die verschiedenen Bewohner der unterdrückten Welt. Dadurch, dass die Fluchtversuche in chronologischer Reihenfolge stattfinden und die Handlung des Spiels auf eine alles entscheidende Wahl in Petria zuläuft, erlebt ihr nicht nur die Ergebnisse eurer eigenen Handlungen, sondern auch die von euch hervorgerufenen Veränderungen in der Spielwelt am eigenen Leib.
DigixArt versäumt es trotz der durchaus ernsten Lage, in der sich die Flüchtlinge in Road 96 befinden nicht, Elemente in Spiel zu integrieren, welche die besten Roadtrips der Pop-Kultur ausmachten. Das Spiel strotz vor Humor, Herz und Liebe zum Detail. Petria ist nur zu einem kleinen Teil die düstere Dystopie, die zur Flucht animiert. Die Welt ist gleichzeitig eine, in der Spieler ihre Zeit verbringen und deren Geheimnisse sie während ihrer Aktivitäten als Barkeeper-Ersatz oder Aushilfs-Tankwart ergründen möchten.
Ein Abenteuer für Gamer und die, die es werden wollen
Road 96 ist eine Road 96 ist eine narrativ getriebene Erfahrung, die als Einzelspieler-Erfahrung konzipiert ist. Spieler steuern die Charaktere aus der Ego-Perspektive. Wir spielten den Titel komplett zu zweit und kamen voll auf unsere Kosten. Dies erreichte Road 96 nicht durch eine pompöse Grafik oder eine nicht stoppen wollende Spannung, sondern die vielen, teils lustigen, teils beruhigenden und teilweise auch spannenden Erlebnisse der Flüchtlinge. Ein großes Puzzleteil zu diesem Gesamterlebnis ist der Austausch mit anderen Bewohnern der Spielwelt, dem Spieler durch die Auswahl verschiedener Gesprächsoptionen vorantreiben und damit den Ausgang ihres Abenteuers beeinflussen.
Ein videospieltypisches Element von Road 96 ist die Energieleiste der Flüchtlinge, die sich durch Anstrengung vermindert und durch Nahrung und eingelegte Pausen wieder füllt. Auch verdientes oder eingesammeltes Geld kann die Flucht erleichtern. Wahre Schlüsseleffekte sind beispielsweise mit einem Dietrich zum lautlosen Knacken von Schlössern oder der Hacking-Fähigkeit verbunden, die einmal erworben von jedem folgenden Flüchtling genutzt werden können. Ins Spiel eingebaute Rätsel und Mini-Games können intuitiv gemeistert werden und überfordern Gaming-Neulinge nicht. Gleichzeitig kommen auch alte Gaming-Hasen auf ihre Kosten.
Die Charaktere von Road 96 sind ebenso einzigartig wie der Grafik-Stil. – Quelle: DigixArt
Herz und Verstand statt Grafik-Muskeln
Ein grafisches Feuerwerk zündet Road 96 nicht. Es kommt optisch auch nicht an das Kunstwerk 11-11: Memories Retold heran. Dies ist jedoch auch nicht der Anspruch des Spiels. Stattdessen kreiert DigixArt eine ansprechend gezeichnete Welt, die trotz prozedural erzeugtem Spielfortschritt in sich funktioniert und ohne technische Aussetzer daherkommt. Ab und haben wir uns geärgert, dass wir unsere Dialogoptionen durch die Blickrichtung und nicht einfach per Tastendruck auswählen mussten. Dafür sind selbst Schuss- und Kletter-Passagen ausgezeichnet gelöst und fügen sich trotz der Abwechslung zum generellen Spielgeschehen wunderbar ein.
Erwähnenswert ist der Soundtrack des Spiels, der nicht oft genug gelobt werden kann. Er schafft einen echten Mehrwert und Roadtrip-Feeling. Dies wird dadurch unterstützt, dass Spieler in ihren Spieldurchgängen Kassetten sammeln, dank derer sie ihre Lieblings-Tracks mit Ingame-Kassettenspielern, Juke-Boxen und (Auto-)Radios abspielen können.
Unser Fazit zu Road 96
Road 96 ist eine echte Indie-Perle, die vielen AAA-Produktionen mit seinen zahlreichen Geschichten weit voraus ist. Die Charaktere von Petria sind interessant und für die eine oder andere Überraschung gut. Außerdem gibt es einen stetigen Wechsel zwischen den Gefühlen der Freiheit, der Unterdrückung und der digitalen Lebensfreude. Durch sich wiederholende Spielabschnitte ist der Wiederspielwert zwar moderat, ein zweiter Durchgang verspricht dennoch die eine oder andere Neuerung. Zudem wird dieser durch einen New-Game-Plus-Modus gefördert. Unseren Ohrwurm werden wir außerdem wohl über Wochen nicht los. Wer seine eigenen Roadtrips vielleicht auch mit einem Kumpel vom Sofa erleben möchte, kommt an Road 96 kaum vorbei.
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